Stuttgarter Zeitung 17.01.2023 - 15:33 Uhr
Wenn jede Aktion wie ein Elfmeter ist
Der Billard Club Stuttgart kämpft in der Snooker-Bundesliga um den Klassenverbleib. Durch den Doppelsieg über die Roth Pool Factory ist man dem Ziel einen gehörigen Schritt nähergekommen. Von Patrick Einsle
Obwohl acht Snooker-Spieler zugleich am Werke sind, ist es sehr ruhig in den Räumlichkeiten des Billard Club Stuttgart 1891, kurz BC Stuttgart, in Feuerbach. In der Bundesliga ging es am vergangenen Samstag im direkten Abstiegsduell gegen die TSG 08 Roth Pool Factory. Die Brisanz ist hoch, der Lärmpegel, so wird gebeten, muss aber ganz niedrig sein.
„Insgesamt ist Snooker ein leiser Sport“, erklärt der BC-Vorsitzende Davut Dikme. Außer dem Geräusch von aufeinanderprallenden Kugeln und dem Ansagen der Punkte durch die Schiedsrichter, ist nicht viel zu hören. Das liegt daran, weil sich die Spieler sehr konzentrieren und fokussieren müssen. Während einerseits der mentale Anspruch sehr hoch ist, muss beim Snooker die Präzision stimmen. „Es geht teilweise um Millimeter“, sagt Dikme.
Coolness ist gefragt
Es bedarf im Snooker immer wieder an „Coolness“, wie der 50-Jährige sagt, der selbst aushil!, wenn Not am Mann ist. Einfache Aktionen gebe es nicht bei dieser Sportart, jeder Stoß muss mit der höchsten Konzentration angegangen werden. „Im Snooker ist jeder Ball wie ein Elfmeter beim Fußball“, vergleicht Dikme. „Wenn die Chance da ist, darf man nicht das Zittern anfangen.“
Auf innere Ruhe kommt es oft an, auch wenn es zu schwierigen Situationen kommt. So war der BC Stuttgart am vergangenen Wochenende quasi schon zum Siegen verdammt, nachdem man zuvor erst einen Saisonsieg einfahren konnte. Gleich zwei Mal ging es gegen die Kontrahenten aus Roth, welche auf ihr Heimrecht verzichteten, da das Equipment beim BC Stuttgart gut ist und man so nicht von einem auf den anderen Tag verreisen müsste.
Was die Terminierung angeht, gab es kurz vor Spielbeginn am Samstag jedoch Ungereimtheiten, wodurch es hektisch wurde. „Das ist keine gute Voraussetzung, das war unglücklich“, sagt Dikme. Dennoch war der BC erfolgreich. Mit zwei Siegen (7:1 und 5:3) ziehen die Stuttgarter an Roth vorbei und liegen nun auf Rang fünf der Bundesliga- Tabelle. Die beiden Letztplatzierten steigen ab, der Sechste muss in die Relegation. Schon vor den beiden Siegen zeigte sich der Präsident zuversichtlich: „Ich mache mir um den Klassenverbleib keine Sorgen.“
Von vornherein war der Klassenverbleib das erklärte Ziel. Was beim Vorjahres-Vierten nach Tiefstapeln klingt, hat personelle Gründe. Laut Dikme konnte der BC erstmals mit der Top-Besetzung antreten. Manuel Ederer, Soner Sari und Patrick Einsle wohnen allesamt nicht in Stuttgart und müssen selbst für Heimspiele anreisen. Berufsbedingt ist dies nicht immer möglich. Selbst die erste Bundesliga ist Amateursport, nur vereinzelt spielen Profis mit. Den Sprung zum Profi möchte Stuttgarts Umut Dikme scha"en. Der Sohn des Präsidenten bekam nach seiner Ausbildung bei Mercedes eine Festanstellung als Mechatroniker angeboten, schlug diese jedoch aus, um sich voll und ganz auf den Snooker-Sport zu konzentrieren.
Dafür ist der 22-Jährige des Ö!eren in England, um dort mit Profis zu trainieren, und kann deshalb dem BC nicht immer helfen, den Klassenverbleib zu scha"en. Weltweit spielt Umut Dikme Turniere, um sich weiterzuentwickeln und sich einen Platz bei der Main Tour ergattern zu können. Denn dann wäre er bei der World Snooker Tour unter Vertrag und auf dem Papier Profi. „Das ist das Ziel von Umut“, erzählt Vater Davut Dikme. „Mich hat es gefreut, als er mit zwölf Jahren mitspielen wollte. Seitdem lässt er das Queue nicht mehr aus der Hand.“
International hat Umut Dikme 2022 Aufsehen erregt. Bei den World Games, einem international besetzten Turnier auf Amateur-Ebene, kam er bis ins Viertelfinale, bei der Europameisterscha! scheiterte der Stuttgarter erst im Halbfinale. Jeweils verpasste er die besten Platzierungen, die die Qualifikation zur Main Tour bedeutet hätten. „Umut steht kurz vor dem Ziel“, erzählt der Vater stolz. „Seine Priorität liegt darauf, Profi zu werden.“
Alles begann mit einem Tisch
Dass es Snooker beim BC Stuttgart überhaupt gibt, ist Davut Dikme zu verdanken. 2006 mietete er einen Privatraum an und stellte einen einzigen Snooker-Tisch hinein. Als die Nachfrage größer wurde und mehr Tische benötigt wurden, fragte er beim BC an – so hat der Verein seit 2007 eine Snooker-Abteilung. Von ganz unten gestartet, stiegen die Stuttgarter 2010 erstmals in die Bundesliga auf, in der Debütsaison stieg der BC aber direkt wieder ab. 2014 gewann das Team aus der Landeshauptstadt als Aufsteiger dann die deutsche Meisterscha!. 2017 folgte der nächste Bundesliga-Titel.
Rund um Snooker Snooker
ist eine Spielvariante des Billards auf einem größeren Tisch. Darauf liegen 15 rote Bälle sowie sechs weitere in unterschiedlichen Farben. Die roten Kugeln werden in einem Dreieck aufgebaut, die farbigen werden auf ihre Stammpositionen (Spots) gesetzt. Ein Spieler muss zuerst einen roten Ball lochen, also in einer Tasche versenken, um dann eine beliebige Kugel der farbigen zu versenken. Gelingt ihm das, wiederholt sich der Vorgang, bis er nicht mehr tri#. Diese Punkte werden je nach Wertigkeit der Kugeln zusammengerechnet. Nachdem die Farbigen versenkt wurden, werden sie an ihre Stammposition zurückgelegt, während die Roten in den Taschen bleiben. Nachdem die letzte rote Kugel versenkt wurde und der Versuch, eine Farbige einzulochen, vorbei ist, versuchen die Spieler, die Farbigen aufsteigend in der Reihenfolge ihrer Wertung zu lochen. Danach ist ein Frame zu Ende. Mindestens vier Punkte gibt es darüber hinaus für den Gegner, wenn man ein Foul begeht, also keine Kugel Trift oder eine andere Farbe, als angesagt.
Snooker-Bundesliga
Dort werden bei einem Spieltag acht Begegnungen im Eins-gegen-Eins ausgetragen. Wer zuerst drei Frames gewinnt, ist Sieger der Begegnung. Die Mannscha!, die mehr Begegnungen für sich entscheidet, gewinnt den Spieltag.
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